Wie Sie Bitten äußern, die auch erfüllt werden

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Ein hoffnungsloser Fall

Dem Patienten, der gerade in die Notaufnahme gebracht wurde ging es nicht gut. Sein Zustand hatte sich verschlechtert und die Laborwerte deuteten darauf hin, dass er die verordneten Medikamente nicht eingenommen hatte.

Wie es inzwischen um ihn stand und was er jetzt zu tun war, musste ihm endlich in aller Deutlichkeit gesagt werden!

Mit diesem Vorhaben ging der Arzt fest entschlossen zum Patienten. Er kam schon kurze Zeit später kopfschüttelnd zurück.

Der Patient war nicht bereit, die Medikamente einzunehmen.

Ist er wirklich ein hoffnungsloser Fall, oder könnte eine andere Herangehensweise die Chancen erhöhen, dass der Patient in die Behandlung einwilligt?

Wertschätzende Kommunikation

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zu den vier Schritten der wertschätzenden Kommunikation nach Marshall Rosenberg: 

  1. Beobachten
  2. Gefühle
  3. Bedürfnisse
  4. Bitten

Die vier Schritte wertschätzender Kommunikation

Konflikte entstehen auf verschiedenen Ebenen eines Gesprächs oder einer Situation. Mit den 4 Schritten der wertschätzenden Kommunikation können viele dieser Konflikte verhindert werden:

  1. Im ersten Schritt (Beobachten) stellen wir sicher, dass unser Gegenüber und wir vom Gleichen sprechen. Wir äußern unsere Beobachtungen, ohne sie zu bewerten.
  2. Im zweiten Schritt machen wir uns unserer Gefühle bewusst. Wir wissen, dass wir für unsere Gefühle selbst verantwortlich sind und dass sie uns etwas mitteilen über unsere erfüllten oder unerfüllten Bedürfnisse.
  3. Im dritten Schritt machen wir uns bewusst, um welche Bedürfnisse es gerade geht. Bei uns und bei unserem Gegenüber. Was brauchen wir gerade, was fehlt uns?

Wenn wir dann wissen, was wir brauchen, setzen wir eine Strategie ein, um es zu bekommen: Wir äußern eine Bitte.

Wie können wir Bitten so äußern, dass sie umsetzbar sind und auch wirklich erfüllt werden?

Die wertschätzende Kommunikation formuliert 3 Bedingungen, die Bitten erfolgreich machen:

  1. Die Bitte wird nicht mit Vorwürfen verknüpft.
  2. Die Bitte ist konkret und erfüllbar.
  3. Die Bitte ist keine versteckte Anordnung.

Bitten, ohne zu kränken

Damit unsere Bitte ankommt, darf sie bei unserem Gegenüber nicht als Kritik empfunden werden.

Wie geht es Ihnen mit dieser Äußerung?:

„Ich bitte Sie, jetzt wirklich aufrichtig mit mir zu sein!“

Hören Sie primär eine Bitte, oder eher die versteckte Kritik, Sie seien nicht ehrlich?

Fühlt sich unser Gegenüber kritisiert, sinkt seine Bereitschaft, sich mit unserem Anliegen zu beschäftigen.

Ich-Botschaften

Mit Ich-Botschaften sinkt das Risiko, dass sich unser Gegenüber angegriffen fühlt. Erinnern Sie sich an Ihr Bedürfnis und bringen Sie es zum Ausdruck:

„Mir ist wichtig, dass wir ehrlich und klar miteinander umgehen. Darf ich Sie um eine ganz ehrliche Rückmeldung zu meinem Vorschlag bitten?“

Bei unserem Patienten in der Notaufnahme wäre es auch ein denkbar schlechter Einstieg, ihn zu Beginn damit zu konfrontieren, dass er seine Medikation nicht eingenommen hat. Hört der Patient von uns Vorwürfe, sinkt seine Bereitschaft, sich mit unserem Anliegen zu beschäftigen.

Sinnlose Appelle statt konkrete Bitten

Viele Bitten sind so vage, dass sie selbst mit guten Willen nicht umsetzbar sind. Meistens weiß selbst der Bittsteller nicht, was er eigentlich will. Woher sollen wir es dann wissen?

Haben Sie auch schon mal solche Bitten gehört oder sogar selbst geäußert?

  • „Bitte geben Sie sich beim nächsten Mal etwas mehr Mühe“.
  • „Bitte kümmern Sie sich mehr um Ihre Patienten"
  • „Bitte denken Sie auch mal an Ihre Kollegen"
  • „Bitte informieren Sie mich häufiger über den Stand des Projekts“.

Was heißt „häufiger“? Stündlich? Täglich? Jährlich?

Die wertschätzende Kommunikation nennt diese Äußerungen „Appelle“. Sie tragen selten dazu bei, dass wir das bekommen, was wir brauchen. Dazu muss die Bitte konkret sein.

Die 4 Formen der konkreten Bitte

Bitten sollten immer positiv formuliert werden und aktionsorientiert sein.

Die Chancen, dass unsere Bitten erfüllt werden steigt, wenn wir konkret benennen können, um was es uns geht.

In der Wertschätzenden Kommunikation (GFK) unterscheiden wir die verbindende Bitte und die Bitte um eine Lösung.

Wir können 4 verschiedene Formen unterschieden:

  • Wir bitten darum, etwas Konkretes zu tun, also ein „Problem“ zu lösen:
    "Können Sie bitte gleich den Entlassbrief fertigstellen?“
  • Wir bitten um inhaltliches Feedback:
    "Können Sie mir bitte sagen, was Sie von diesem Vorschlag halten?"
  • Wir bitten um eine Rückmeldung, ob unser Gegenüber uns verstanden hat: "Können Sie bitte kurz wiedergeben, was Sie gerade verstanden haben?"
  • Wir bitten um ein Feedback, was die Aussagen bei unserem Gegenüber auslösen:
    "Wie geht es Ihnen, wenn ich das sage?"

Kurze Bitten

Bitten sollten kurz und präzise formuliert werden. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie erfüllt werden.

Wenn Menschen viele Worte brauchen und sich immer wiederholen, wissen sie offenbar selbst nicht so genau, was sie eigentlich brauchen.


Wenn Ihr Gegenüber bei einer Bitte zu viele Worte braucht, helfen Sie ihm:
„Wollen Sie mich fragen, ob ich…?“

Liegen Sie mit Ihrer Vermutung richtig, haben Sie erfolgreich eine Verbindung hergestellt. Liegen Sie falsch, haben Sie mit Ihrer Frage Ihr Gegenüber angeregt, sein Anliegen zu präzisieren.

Unseren Patienten in der Notaufnahme könnten wir bitten, uns wiederzugeben, was er vom Aufklärungsgespräch bezüglich der Medikamente verstanden hat. So erfahren wir, ob er es begriffen hat und können, wo nötig, noch Ergänzungen machen.

Echte Bitte oder versteckte Anordnung?

Eine weitere Schlüsselunterscheidung in der GFK ist die Trennung zwischen Bitten und Forderungen.Am Wort "Bitte" können wir oft nicht erkennen, ob es sich um eine Bitte oder eine Forderung handelt. Ob es wirklich eine Bitte ist, wissen wir erst, wenn wir auf eine Bitte auch mal mit „Nein" reagieren. Ist unser Gegenüber dann gekränkt, beleidigt oder wütend, dann war es eigentlich keine Bitte, sondern eine versteckte Forderung.

 

Wenn jemand eine Forderung von uns hört,
dann sieht er nur zwei Möglichkeiten:
Unterwerfung oder Rebellion.

  (Marshall B. Rosenberg)

      

Das „Ja“ hinter dem „Nein“

Hören wir in der wertschätzenden Kommunikation auf unsere echte Bitte ein „Nein", so machen wir uns klar, dass unser Gegenüber sich mit dieser Ablehnung ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Unser Gesprächspartner hat ganz offenbar gute Gründe, unserer Bitte nicht zu entsprechen. Welches Bedürfnisse könnten das sein?

Marshal Rosenberg sagte: "Jedes ‚Nein' ist nur ein ‚Ja' zu etwas anderem". In der GFK gehen wir nun auf die Suche, was unser Gegenüber daran hindert, „Ja“ zu unserer Bitte zu sagen.

Warum sagt unser Patient in der Notaufnahme "Nein", wenn wir ihm die Einnahme der Medikamente vorschlagen?

Statt ihn als „hoffnungslosen Fall“, „uneinsichtig“, „incompliant“ oder „unbelehrbar“ zu bezeichnen, suchen wir nach den Ursachen für sein „Nein", nach den Bedürfnissen, die einer Medikamenteneinnahme entgegen stehen.

Wir fragen unseren Patienten nach diesen möglichen Bedürfnissen und suchen nach Möglichkeiten, ihm gerecht zu werden, damit er dann doch noch der Medikation zustimmen kann.

“Möchten Sie das Medikament nicht einnehmen, weil

…es für Sie wichtig ist, selbst zu bestimmen, was Sie machen“?

…es Ihnen schwerfällt, mehrmals täglich an die Einnahme zu denken?“

…weil Ihnen Ihre Figur wichtig ist und Sie Sorge vor Gewichtszunahme haben?“

…weil Sie Angst vor bestimmten Nebenwirkungen haben?“

Wenn unser Gegenüber spürt, dass wir seine Bedenken ernst nehmen, steigt schon die Bereitschaft, nach Kompromissen zu suchen.

Finden wir Wege, die Bedürfnisse unseres Gegenübers zu erfüllen, so wird er mit mehr Leichtigkeit „Ja" sagen können zu unserem Anliegen!

Vielleicht finden Sie ein Präparat, welches nur einmal täglich eingenommen werden muss? Oder Sie können etwas verordnen, das die Nebenwirkungen lindert. Können Sie ihn beruhigen, dass die Behandlung sein Gewicht nicht beeinflussen wird?

Einladung zum Ausprobieren

Bevor Sie eine Bitte äußern, überlegen Sie:

  • Ist die Bitte klar und konkret umsetzbar?
  • Äußere ich die Bitte ohne Vorwürfe oder Unterstellungen?
  • Akzeptiere ich auch, dass mein Gegenüber die Bitte ablehnt?

Wenn Ihr Gegenüber mit „Nein“ reagiert, überlegen Sie, welches Bedürfnis ihn wohl daran hindert, auf Ihre Bitte einzugehen.


Wie Sie mit einem „Nein“ Ihres Gegenübers richtig umgehen und selbst häufiger erfolgreich „Nein“ sagen, lesen Sie in diesem kurzen, kostenlosen E-Buch.



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Das wird Sie auch interessieren:

  • Einfach und gut verständlich geschrieben, gute Darstellung der GFK, Bitte ist keine Forderung!
    Was steckt hinter dem Nein? Wozu wird Ja gesagt!

    • Lieber Herr Föhr,
      herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Wenn jemand „Nein“ sagt, sorgt er dabei für seine Bedürfnisse. Es hat nichts mit uns zu tun! Aus dieser Einsicht heraus kann man völlig anders damit umgehen.
      Herzliche Grüße
      Christopher Dedner

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