Wütender Gesprächspartner und Sie sind schuld? Der richtige Umgang mit Wut

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Es gibt so viel, über das sich Menschen aufregen können.

Sie ärgern sich über Dinge, die sie nicht ändern können. Sie sind aufgebracht über das, was andere (angeblich) gemacht haben oder – ganz beliebt – was Sie gemacht haben. So erleben wir es oft, wenn wir mit wütenden Äußerungen konfrontiert werden.

Es kann anstrengend sein, die eigene gute Laune zu behalten. Wenn Menschen wütend sind wird man oft selbst wütend, auch wenn man es nicht will. Oder beginnt zu erklären, zu verteidigen oder zu entschuldigen. Das bringt selten was, außer Stress. Wie ist der richtige Umgang mit Wut?

Ich habe unterschiedliche Taktiken ausprobiert, um mich dem negativen Einfluss wütender Menschen zu entziehen:

  • Man kann sich zurückziehen, also das Gespräch beenden.
  • Man kann versuchen ruhig zu bleiben und es einfach anzuhören. Dann läuft man Gefahr, es in sich anzustauen, bis es rausplatzt.

Es gibt einen dritten Weg, wie wir gelassen mit der Wut umgehen können. Dazu müssen wir eins verstehen:

Woher kommt die Wut?

[pullquote type=“right“]Sie können sich aufregen. Sie sind aber nicht dazu verpflichtet.[/pullquote]

Wir müssen verstehen, was die Ursachen von Unzufriedenheit und Wut sind. Wütende Menschen finden oft einen Sündenbock, der aus Ihrer Sicht Schuld an ihren Gefühlen hat. Wir sind nie verpflichtet uns dieser Sichtweise anzuschließen. Denn sonst müssen wir uns verteidigen.  Gabriele Lindemann spricht von den „Kommunikationskeulen“, die wir auspacken, wenn unser Denken von Abwehr geprägt ist.  Das führt selten zu einer guten Lösung, wie sie in Seminaren für Führungskräfte aufzeigt.

Um was geht es eigentlich?

Was auch immer es ist, was in Ihrem Gegenüber Wut auslöst, es hat nichts mit Ihnen zu tun! Jeder ist für seine Wut selbst verantwortlich. Sie können durch Worte oder Handlungen der Auslöser von Wut sein, aber diese stammt immer aus einer Quelle: einem unbefriedigten Bedürfnis.

Denn es sind unsere Bedürfnisse, die in uns Gefühle auslösen, nie andere Personen. Werden unsere Bedürfnisse erfüllt, empfinden wir angenehme Gefühle. Werden Bedürfnisse nicht erfüllt, verspüren wir Trauer, Ohnmacht oder Wut.

Nehmen Sie es nicht persönlich!

Denn wenn wir verstehen, dass die Ursache der Wut ein unbefriedigtes Bedürfnis ist, brauchen wir uns nicht mehr zu verteidigen. Wir müssen nicht mehr argumentieren, uns rechtfertigen, erklären und wehren.

Halten Sie stattdessen inne. Nehmen Sie wahr, wie aufgebracht die Person ist und stellen Sie sich folgende Frage: Was macht ihn so wütend und was braucht er gerade, was er nicht hat?

Versuchen Sie dann, mehr darüber zu erfahren, was Ihr Gegenüber braucht.  Was können wir beitragen, die Bedürfnisse zu befriedigen, ohne selbst unzufrieden zu werden?

Wir wissen nicht, was unser Gegenüber braucht

Da wir nie wissen können, welche unbefriedigten Bedürfnisse es sind, die unser Gegenüber so wütend machen, müssen wir raten. Wir müssen Vermutungen anstellen und den anderen fragen, ob wir richtig liegen.

So unterstützen wir den Wütenden dabei, selbst zu überlegen, woher die Wut kommt. Wir verzichten auf  Vorwürfe und Gegenvorwürfe. Wir signalisieren ein aufrichtiges Interesse daran, zum Wohlergehen unseres Gesprächspartners beizutragen.

Wie könnten wir also reagieren, wenn wir mit wütenden Aussagen konfrontiert werden, z.B.:

„Ich bin schon wieder zum Dienst eingeteilt worden, obwohl ich in diesem Monat schon 5 Dienste mache!“

Wenn wir in dieser Aussage den Vorwurf hören und den Impuls verspüren, uns zu verteidigen, so antworten wir vielleicht:

„Der Dienst musste nunmal noch besetzt werden. Ich habe alle anderen angesprochen, aber sie haben gute Gründe, warum sie nicht können. Was kann ich dafür, dass hier unter den Kollegen so wenig Solidarität herrscht?“.

Wenn wir in der Aussage ein unbefriedigtes Bedürfnis hören, können wir überlegen, um welches Bedürfnis es sich wohl handelt. Wir wissen es nicht. Wir stellen Vermutungen an und fragen:

Möchte er, dass Transparenz und Gerechtigkeit herrscht bei der Diensteinteilung? Braucht er mehr Ruhe und Entspannung nach vielen anstrengenden Diensten? Braucht er Wertschätzung dafür, dass er kollegial ist und oft bereit ist einzuspringen?

Wir müssen raten und fragen:

Raten und fragen

„Ist es Ihnen wichtig, dass die Dienste zwischen allen gleichmäßig verteilt werden und brauchen Sie Gewissheit, dass die Verteilung fair verlaufen ist?“

Oder

„Brauchen Sie mal einige Tage ganz ohne Dienste, um sich erholen zu können?“

Oder

„Möchten Sie Gewissheit, dass Sie im nächsten Monat für weniger Dienste eingeteilt werden und dann andere Kollegen mehr Dienste machen?“

In allen Beispielen konzentrieren Sie sich auf Ihr Gegenüber. Sie halten sich raus und verfallen nicht in das Spiel der Rechtfertigungen, Verteidigungen und Gegenangriffe.

Fühlt sich ihr Gegenüber verstanden und wahrgenommen in seiner Wut, wächst die Bereitschaft, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Kann der Kollege einen anderen Dienst abgeben, um dadurch entlastet zu werden.

Ist er zufrieden mit der Gewissheit, im kommenden Monat weniger Dienste zu machen?

Kann er an anderen Tagen frei nehmen und Überstunden abbauen, um den Stress zu reduzieren?

Schaffen Sie die Basis für solche Lösungen, in dem Sie nicht die Verantwortung für die Wut übernehmen, sondern für die Befriedigung der unerfüllten Bedürfnisse!

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  • Hallo Christopher,
    so einfach ist es nicht.
    Es kommt leider oft vor, dass Patienten ihre Bedürfnisse und Beschwerden deutlich äußern und diese von den Betreuenden Personen nicht für voll genommen werden. Mea Kulpa bekenne mich mitschuldig. Ich arbeite seit 30 Jahren im Gesundheitswesen und durch die enge Taktung der Tätigkeiten gehen die ersten Anzeichen einer Verschlechterung sehr oft unter.
    Das durfte ich gerade selbst erleben als ich na einer Nieren OP in der Klinik lag. Alle Anzeichen einer Infektion wurden vom Tisch gefegt. „Da machen wir jetzt mal aggressiv gar nichts!“ ist nur ein Zitat.
    Erst als ich von Schmerzen und vom eigenen Fachwissen in die Verzweiflung getrieben wurde und einen regelrechten Nervenzusammenbruch hatte wurde halbherzig gehandelt. Woher kam hier meine Wut?
    Ich denke es war die Ignoranz die mir begegnete als ich Aufmerksamkeit und Fachkompetenz gebraucht hätte. Sie hat also die Ursache nicht nur in mir sondern durchaus in den behandelnden Ärzten und Schwestern.
    Meine Sicht auf meine Berufliche Tätigkeit hat sich noch weiter intensiviert und ich werde, zum Leidwesen der Ärzteschaft, erst recht der Anwalt meiner Patienten sein.
    Zum Glück gibt es leuchtende Beispiele gelebter Menschlichkeit aber sie sind selten geworden.
    Eine Bitte an alle!
    Hört auf Euer Herz statt auf Kommunikationsempfehlungen.
    Liebe Grüße
    Uta Appoltshauser

    • Hallo Uta,
      mir hat es auch ziemlich die Augen geöffnet, als ich auch mal „die Seiten gewechselt“ habe und als Patient im Krankenhaus lag. In vielem fühlt man sich hilflos und ausgeliefert.

      Nachdenklich macht mich der Appell, auf das eigene Herz zu hören, statt auf Kommunikationsempfehlungen.
      Kommunikation sollte vom Herzen kommen und nicht aus starren, auswendig gelernten Floskeln bestehen. Aber es geht doch darum, wieder zu erlernen, sich in den Patienten hineinzuversetzen (Empathie), statt zu meinen, man wisse als Experte sowieso alles besser.
      Viele haben Sorge, dass sie das mehr Zeit kostet Aber wenn es schneller zu den richtigen Diagnosen führt, das Vertrauen der Patienten steigert und zu weniger Wut führt, dann haben wir insgesamt eher Zeit gespart!
      Uns ist die Fähigkeit zur Empathie in der Medizin etwas abhanden gekommen, aber sie lässt eich „erlernen“, oder als Grundhaltung neu entdecken, davon bin ich fest überzeugt!
      Herzliche Grüße
      Christopher Dedner

  • Lieber Leser und lieberChristopher,

    was für ein schöner Beitrag… und hier eine Geschichte aus dem wahren Oberarzt-Leben:
    Neulich hatte ich eine Patientin, die mich total wütend gemacht hat. Die Ausgangslage für das Gespräch war schon nicht gut, denn ich war müde und wollte eigentlich nur nach Hause! Dann kam meine Stationsärztin und war überfordert mit der auf Initiative unserer Chefin nach dortigem Vorgespräch aufgenommenen, schwierigen Patientin. Statt wie von meiner Chefin gewünscht, ins dann schwierige Klärungsgespräch mit der Patientin einzusteigen, hätte ich das besser auf den nächsten Tag geschoben (wäre auch noch früh genug gewesen). Außerdem hätte ich mit der Chefin besprechen können, dassich mir wünsche, dass sie die Klärung herbeiführt, da sie das Vorgespräch geführt hatte.

    Statt dessen bin ich der Chefin gegenüber in die „gute Mitarbeiterin-Falle“ getappt und meiner Stationsärztin in die „gute Oberärztin- Falle“. Und im Grunde hatte ich mich auch über die Chefin geärgert, weil sie mir die schwierige Patientin „eingebrockt“ hat…

    Ergebnis: Unsachlichkeit im Gespräch mit der Patientn, Wünsche der Patientin nicht wahrgenommen, gescheiterte therapeutische Beziehung, FRUST auf allen Seiten !
    Lerneffekt: siehe Dein Artikel!!!

    Herzliche Grüße
    Mara

  • Herzlichen Dank für Ihre Zusendung mit den nicht nur „Fach“- sondern auch Informationen und Techniken zum besseren Mensch-sein!:) Beim letzten Mal kam ich beim Weiterklicken dann auf den Büchermarkt und habe mir sofort 2 Bücher von Marshall B. Rosenberg gekauft. Sehr interessant, dabei auch mehr über mich und meine Reaktionen zu erfahren… (ich muß sagen, dass mich die Indifferenz oder scheinbar Non-Interesse des Anderen bei für mich wichtigen Dingen, Aussagen oder auch Entscheidungen etwas „bitter“ sein läßt und wenn es sich dann summiert, dann ist tatsächlich ein Bedürfnis in mir nicht befriedigt und dort fängt dann die Kunst der richitgen Kommunikation an… und das klappt nicht immer … Deshalb vielen Dank für Ihre Erfahrungen und Anregungen! MM

  • Ein guter Ansatz sich nicht selbst zur Ursache der Wut des Gegenübers zu machen. Dabei ruhig zu bleiben muss ich noch üben

    • Hallo Herr Witter-Taubenhofer, diesen Ansatz finde ich auch das faszinierende an der wertschätzenden Kommunikation. Es bedeutet, die Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen und eben nicht für die der andren. Aber das ist wirklich eine Frage der Übung und ich erwische mich auch immer wieder dabei, auf Wut mit Wut zu reagieren. Aber das macht alles immer nur schlimmer. Wenn ich es schaffe, aus dieser Haltung heraus zu reagieren, findet man für jeden Konflikt eine gute Lösung.
      Herzliche Grüße
      Christopher Dedner

  • Danke, wie immer toll! Großes Lob und Dank für Ihre tolle Website, deren Beiträge ich immer schon interessiert erwarte.

    • Liebe Frau Vogt,
      herzlichen Dank für Ihre so motivierende Rückmeldung zu StrebensWert und den Beiträgen. Mit Ihrer wertschätzenden Feedback gehe ich noch beschwingter an die Auswahl der nächsten Themen!
      Herzliche Grüße
      Christopher Dedner

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