Ziele erreichen und Fehler vermeiden: Der „After Action Review“

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Unterlegen und doch immer erfolgreich

Innerhalb des US-Militärs gibt es eine Einheit, die „US-Army Oposing Force (OPFOR)“. Sie besteht aus 2500 Mann und hat das Ziel, Soldaten auszubilden und mit besonderen Kriegssituationen vertraut zu machen. Jeden Monat steht diese Einheit einer neuen Ausbildungs-Truppe gegenüber, bestehend aus 4000 erfahrenen Soldaten. Diese Trainingsgruppe (BLUFLOR genannt) ist nicht nur personell stärker, sie verfügt bewusst auch über eine deutlich bessere technische Ausstattung und mehr Daten und Informationen als die Ausbilder-Einheit.

Obwohl die Ausbilder (OPFOR) in jeder Hinsicht unterlegen sind, gewinnen sie fast jede Übung. Dieser Erfolg wird zurückgeführt auf die systematische Etablierung des „After Action Review (AAR)“, wie Darling, Parry und Moore ihn beschreiben

Systematische Evaluation 

Während und nach jeder Übung findet diese Evaluation statt. Ziel ist es, erfolgreiches Vorgehen zu analysieren und aus Fehlern zu lernen, damit sie nicht erneut auftreten.
Viele Konzerne haben diese Technik in ihren Teams eingeführt. Sie verändert, wie über Ziele, Erfolge und Misserfolge gedacht wird und bewirkt einen anderen Umgang mit Fehlern, wie ihn auch Piloten anwenden, wie in diesem Podcast beschrieben.  

After Action Review im Krankenhaus?

Auch im Krankenhaus können wir im Fehler- und Projektmanagement von dieser Methode profitieren.

Fast überall werden oft begonnene Projekte nicht rasch genug abgeschlossen,  oder fertige Projekte nicht richtig evaluiert. Bei Beinahe-Fehlern begnügt man sich mit der Feststellung: „Gerade noch mal gutgegangen!“ 

Denn immer wieder erleben wir Zwischenfälle, Komplikationen oder unerwartete Nebenwirkungen, die zu raschem und überlegten Handeln zwingen.

Wenn während der OP Komplikationen auftreten, läuft vieles gut, aber einiges nicht. Ist die Komplikation beseitigt, atmen alle auf und gehen erleichtert wieder an die Arbeit, ohne das später eine systematische Auseinandersetzung mit dem Ereignis stattfindet.

In der Psychiatrie sind es oft aggressives Verhalten und Übergriffe, auf die Mitarbeiter zum eigenen Schutz und zur Gefahrenabwehr reagieren müssen. So kann es vorkommen, dass Patienten plötzlich und ohne Ankündigung aggressives Verhalten zeigen. Schlagartig verkennen Patienten eine eigentlich harmlose Situation, fühlen sich bedroht und reagieren aus Angst heraus mit Wut, Abwehr oder sogar körperlicher Gewalt. Auch wenn Mitarbeiter gut geschult sind, gelingt in solchen akuten Situationen die Deeskalation mal gut und mal weniger gut. Und wenn die Situation sich beruhigt hat? Dann tritt ersteinmal Erleichterung ein. Nicht immer wird die Chance genutzt, anschließend gemeinsam zu reflektieren, was gut lief und was nicht.

Grundgedanken des „After Action Review“

Der „After Action Review“ verfolgt das Ziel, systematisch aus positiven und negativen Erfahrungen zu lernen und diese Erkenntnisse gezielt bei künftigen Projekten oder ähnlichen Situationen einzusetzen. Frühere Erfahrungen sollen in künftiges Handeln umgewandelt werden.

So wird aus Erfolgen gelernt und Fehler werden nicht wiederholt. Er sollte also nicht nur verwendet werden, wenn ein Projekt gescheitert ist, denn auch aus erfolgreichen Projekten kann viel gelernt werden!

Der AAR kann auch bei der Evaluation eigener, persönlicher Ziele helfen. So werden gute Vorsätze und Ziele auch wirklich umgesetzt, statt stillschweigend in Vergessenheit zu geraten. Mehr zu den praktischen Anwendungsmöglichkeiten folgt unten.

Entwicklung im US-Militär

Die systematische Anwendung des AAR wurde erstmals im US-Militär entwickelt und eingesetzt. Es sollte dazu beitragen, dass alle von den Erfahrungen einzelner Soldaten oder Einheiten profitieren. Die Soldaten konnten zeitnah von ihren Erfahrungen berichten und andere Truppen konnten sofort davon lernen und ihre Vorgehensweisen anpassen. Das Rad wird nicht immer wieder neu erfunden, sondern alle profitieren von den Erfahrungen einzelner Teams.  

Das Rad wird nicht immer wieder neu erfunden, sondern alle profitieren von den Erfahrungen einzelner Teams.  

Anwendung als Führungsinstrument

Der AAR wird hauptsächlich verwendet, um den Zwischenstand oder das Ergebnis von Projekten oder Ereignissen dahingehend zu evaluieren, was man für künftige Projekte lernen und verbessern kann. Er kann als praktische Anwendung des „PDCA-Zyklus“ von W.E. Deming verstanden werden.

Die Prinzipien des „After Action Review“

Der AAR sollte nicht zu einer weiteren QM-Maßnahme werden, die nur Protokolle erzeugt, die abgelegt werden. Es ist nicht nur ein weiterer TOP in der Leitungsbesprechung und nicht nur eine neue Form der Dokumentation. Wird es richtig durchgeführt und angeleitet, kann es die Denkweise im Team verändern, den Erfolg von Projekten und Fehler vermeiden.

Offene und ernsthafte Diskussion auf Augenhöhe

Beim AAR geht es nicht um die Bewertung von Erfolg oder Misserfolg zurückliegender Projekte. Unabhängig vom Ergebnis werden Stärken und Schwächen beleuchtet. Schuldzuweisungen oder Vorwürfe werden vermieden.

Fokus auf Ergebnisse und künftige Verbesserungen

Ziel ist das Sammeln von Erfahrungen und die konsequente Anwendung auf künftige, ähnliche Situationen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Transfer in die Zukunft, nicht auf der Aufarbeitung der Vergangenheit.

Beteiligung aller Teammitglieder ist wichtig

Im ganzen Prozess wird auf die gleichberechtigte Kreativität aller Teammitglieder gesetzt. Jede Sichtweise ist wichtig, jeder Beitrag wird gewürdigt.
Im Vordergrund steht immer die Leistung des ganzen Teams, nie die eines einzelnen Mitarbeiters! Es geht immer darum zu evaluieren, wie gut das Team zusammen gearbeitet hat.

Die fünf Schritte des AAR

Der „After Action Review“ basiert auf fünf einfachen Schritten, die nacheinander im Team unter Einhaltung bestimmter Regeln beraten werden:

  1.  Was wollten wir erreichen? 
  2. Was ist tatsächlich passiert? 
  3. Was lief gut und warum? 
  4. Was wollen wir künftig anders machen? 
  5.  Was sollten wir jetzt sofort machen? 

1. Was war das Ziel? 

Im Team geht es darum, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, was das eigentlich Ziel war und was erreicht werden sollte.
Was war das geplante Ergebnis? Wie hätte das konkrete Ziel aussehen sollen? Wurde das ursprüngliche Projekt gut vorbereitet, kann in diesem Schritt der Projektplan nochmals gemeinsam angeschaut werden.
Bei der Analyse von Notfällen oder akuten Situationen sollte geklärt werden, ob allen das Ziel klar war. Wenn mehrere Personen mit einem erregten Patienten sprechen, aber verschiedene Ziele verfolgen, kann es die Situation nur noch schlimmer machen.

2. Was war das Ergebnis? 

Ohne Bewertung oder Kritik soll im zweiten Schritt festgestellt werden, was tatsächlich passiert ist und wie das endgültige Ergebnis beschrieben werden kann. Im Team hat hier jeder eine eigene Sicht auf das Ergebnis. Ermutigen Sie alle Teilnehmer, ihre Sichtweise zu beschreiben, um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten. Dabei sollten Kritik, Bewertungen und Schuldzuweisungen unterbunden werden.

Tipp

Hier hilft die Merkhilfe ZDF: Zahlen, Daten und Fakten. Als reine Beobachtung und ohne Bewertungen. Wie es eine Videokamera aufzeichnen würde. 

3. Was lief erfolgreich. Und warum?

Was hat gut funktioniert? Was hat zum Erfolg des Projekts beigetragen und sollte im nächsten Projekt beibehalten werden?

4. Was könnte verbessert werden? 

Mit den Erfahrungen aus dem letzten Projekt: Was wurde gelernt, was beim nächsten Mal anders gemacht werden sollte? Auf diesen Teil ist die meiste Zeit zu verwenden, um konkrete Dinge abzuleiten.
Auch hier ist Kritik am zurückliegenden Vorgehen unangemessen. Damals wussten es die Beteiligten nicht besser. Hier geht es nur darum, was das Team für die Zukunft ableiten kann.

Tipp

Wird doch Kritik geäußert, können Sie als Moderator Formulierungshilfe anbieten. Sagt ein Teilnehmer: „Da habe ich völlig falsch reagiert!“ Können Se es umformulieren: „Sie überlegen sich, wie es wohl verlaufen wäre, wenn Sie ruhiger reagiert hätten“.

5. Was können wir jetzt tun? 

Wie wird sichergestellt, dass die Ergebnisse des AAR nicht nur im QM-System abgelegt und vergessen werden, sondern tatsächlich Einzug halten in die praktische Arbeit und bei künftigen Projekten zur Verfügung stehen und Anwendung finden.

Auf Vorbereitung und Moderation kommt es an

Nicht zu lange warten 

Maximal zwei Wochen nach Ende des Projekts sollte der AAR durchgeführt werden. So sind die Erinnerungen bei allen noch präsent und der Lerneffekt am höchsten.

Dauer

Sie hängt natürlich vom Thema ab, aber oft sind 20 Minuten völlig ausreichend. Achten Sie ggf. mit einer geeigneten Uhr auf die Einhaltung der Zeit.

Breite Beteiligung anstreben

Der Sitzungsleiter sollte von Beginn an eine möglichst breite und offene Beteiligung anstreben. Das gelingt unter anderem dadurch, dass sich der Chef zu Beginn mit der eignen Meinung zurückhält.

Betonen Sie als Sitzungsleiter, dass es sich um eine Art „Brainstorming“ handelt und dass die Äußerung der eigenen Meinung ausdrücklich erwünscht ist. Unterbinden Sie persönliche Angriffe oder Kritik sofort, um den Lernerfolg für das Team zu erhalten.

Gemeinsame Grundlage schaffen

Zu Beginn ist es wichtig, dass alle sich auf das ursprüngliche Ziel des Projekts einigen. Diese gemeinsame Grundlage ist auch der erste Schritt der wertschätzenden Kommunikation und verhindert Missverständnisse.
Anschließend kann die Diskussion über die Diskrepanz zwischen Plan und tatsächlichem Ergebnis stattfinden. 

Tipp

Wenn es länger dauert, sich auf das ursprüngliche Ziel zu einigen, wurde es offenbar zu Beginn des Projekts nicht genau genug beschrieben. Die Ziele sollten beim nächsten Mal besser beschrieben werden. 

Als Moderator nicht zu früh Stellung beziehen

Sonst glauben Teilnehmer schnell, es gäbe „richtige“ und „falsche“ Antworten oder Beiträge. „Wie hätte … verhindert werden können?“, oder „Was könnten wir das nächste Mal anders machen?“

Fokus auf die Zukunft

Achten Sie darauf, dass nicht zu sehr auf die Misserfolge des abgeschlossenen Projekts fokussiert wird. Lenken Sie die Aufmerksamkeit der Teilnehmer immer auf die Zukunft: „Was lernen wir konkret daraus für das nächste Mal?“

Die Aufmerksamkeit des Teams lenken

Als Sitzungsleiter sollten Sie zu offene Fragen vermeiden. Statt „Wie lief es Ihrer Meinung nach ingesamt“, fragen Sie lieber konkret nach bestimmten Themen: „Wie ist dem Team Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit gelungen“?
Oder: „Wie hätte die Kommunikation zwischen den Beteiligten Ihrer Meinung nach besser laufen können?“
Oder: „Wie hätte das Ergebnis schneller erzielt werden können, um beim nächsten mal zum geplanten Termin fertig zu werden?“

Teilnehmer motivieren und Gruppendruck vermindern 

Nutzen Sie Moderationstechniken, die vermeiden, dass alle das gleiche sagen. Lassen Sie z.B. alle erst ihre Überlegungen notieren, damit nicht alle das Gleiche sagen.
Notieren Sie die wichtigsten Fragen vorher an der Flipchart, damit die Teilnehmer beim Thema bleiben.

Ergebnisse festhalten und verfügbar machen

Der Prozess nützt nichts, wenn keiner was aus den Ergebnissen macht. Das Protokoll des AAR sollte allen zugänglich gemacht werden und abgeleitete Maßnahmen (Aufgaben) sollten klar zugewiesen und nachverfolgt werden. Erst das macht den AAR wirklich erfolgreich!

Anwendungsmöglichkeiten

Neben der beschriebenen Anwendung bei der Evaluation von Projekten kann der AAR auch bei anderen Situationen Vorteile bringen:

Anwendung auf eigene Ziele und Vorsätze

Oft nutzen Menschen die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, um über das zurückliegende Jahr zu reflektieren und sich neue Ziele zu setzen. Die berühmten „guten Vorsätze“ für das nächste Jahr.
Für eine solche Reflexion des letzten Jahres eignet sich der AAR sehr gut. Noch besser wird es aber, wenn Sie diese Evaluation nicht jährlich, sondern nach jedem Quartal vornehmen, um durch kürzere Planungszeiträume effektiver zu sein Zu diesem Konzept des „12-Wochen-Jahres“ lesen Sie demnächst mehr bei StrebensWert. 

Auch eine kurze, wöchentliche Reflexion hat Vorteile. Was lief in der letzten Woche gut? Was war geplant und was davon wurde erreicht? Was lässt sich daraus für die Planung der nächsten Woche ableiten?

Anwendung bei Fehlermanagement

Werden bei Ihnen Beinahe-Fehler (CIRS) schon systematisch gesammelt und ausgewertet? Alle diese Ereignisse können mit dem AAR aufgearbeitet werden.

Anwendung in Besprechungen

Jede Besprechung sollte mit einem kurzen AAR enden. Welches Ziel hatte die Besprechung? Wie gut wurde das Ziel erreicht? Wie könnte das nächste Treffen so gestaltet werden, dass die Ziele noch besser, effektiver oder rascher erreicht werden?

Machen Sie den AAR immer zum letzten Tagesordnungspunkt aller Besprechungen, die Sie leiten. Holen Sie sich Feedback und verbessern Sie mit jeder Sitzung die Besprechungskultur Ihrer Abteilung.

Anwendung in Ausbildung und Lehre

Statt mehrtägige interne und externe Fortbildungen erst nach Abschluss zu evaluieren, kann eine „After-Action-Review“ schon nach dem ersten Tag Rückschlüsse geben, wo das Lernziel erreicht wurde und wo nicht. Mit den Rückmeldungen lässt sich schon der zweite Kurstag besser gestalten.

Risiken und Nebenwirkungen

Der AAR hat nur Erfolg, wenn der Transfer der Ergebnisse auf künftige Prozesse sichergestellt wird. Diesen Aspekt betonen auch die Autoren des oben zitierten Artikels.
Wird der Transfer nicht sichergestellt, wird der AAR nur zu einer weiteren, lästigen QM-Routine.

Einladung zum Ausprobieren

Probieren Sie den Prozess aus! Eine Vorlage als Leitfaden und für die Protokollierung. finden Sie hier zum ausdrucken. Die Vorlage lässt sich für Besprechungen nutzen, aber auch für die persönliche Reflexion des letzten Jahres.




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