Am Ende der Teambesprechung schaute eine Kollegin mich an und sagte: „Dafür könnten Sie uns ruhig mal loben!“
Wie bitte?
Hatte ich nicht eben ausführlich dargestellt, wie gut das Projekt gelaufen war? Ich hatte doch berichtet, wie zufrieden alle in der Klinik mit dem Ergebnis waren!
Aber leider hatte sie recht: Ich hatte zwar über das Projekt gesprochen, nicht aber darüber, wie alle im Team zum Gelingen beigetragen hatten.
Und noch schlimmer: in der Klinik hatte ich als Chef die Lorbeeren geerntet, vom Team war nie die Rede gewesen.
Also sollte ich Zukunft mehr loben! Ich muss öfter Dinge sagen wie:
- „Das haben Sie toll gemacht!“
- „Ich bin richtig stolz auf Sie!“
- „Sie sind wirklich ein klasse Team!“
Ist es das, was Mitarbeiter hören wollen? Motiviert es tatsächlich, ständig so gelobt zu werden?
Der Suchtfaktor des Lobes und andere Probleme
In zahlreichen Büchern zu Management lesen wir, viel Lob steigere die Motivation und Leistung unserer Mitarbeiter. Das stimmt solange, bis die Kollegen die manipulativen Absichten hinter dem ständigen loben erkennen. Sobald die das kapiert haben, kehrt es sich ins Gegenteil um. Die Mitarbeiter fühlen sich missbraucht, ziehen sich zurück, schalten beim nächsten Lob auf Durchzug.
[pullquote type=“right“]Viele glauben noch immer: Nicht geschimpft ist gelobt genug.[/pullquote]
Deutschland sei eine „Lobwüste“ lesen wir da. So viele hätten innerlich gekündigt, da sie nie Anerkennung bekämen. Aber kann mehr Anerkennung durch mehr loben erreicht werden? Kann es nicht, behauptet zumindest Reinhard K. Sprenger. Er bezeichnet Loben als „Fast Food-Zuwendung“ und formuliert deutliche Kritik.
Neben der kurzfristigen Zufriedenheit, die loben verursacht, sind Risiken und Nebenwirkungen zu beachten:
- Es bewertet: Das haben Lob und Tadel gemeinsam, dass sie eine Wertung enthalten. Sie können nur von dem ausgesprochen werden, der hierarchisch in der Position ist, den anderen zu beurteilen. Haben Sie in der Vergangenheit regelmäßig Ihren eigenen Chef gelobt? Das steht Ihnen nicht zu, stimmt’s?
- Es macht passiv und abhängig: Wird ständig gelobt, so kann ein Hunger nach Lob entstehen, bei dem Mitarbeiter nur noch Dinge tun, für die Sie ein Lob von außen erwarten. An die Stelle der eigenen (intrinsischen) Motivation tritt die Sucht nach immer wiederkehrender externer Bestätigung.
- Es kann manipulativ sein: Oft kann der Eindruck entstehen, das heitere „weiter so“ wird nur angewendet, um dem gelobten noch mehr Arbeit aufzuhalsen. Es verkommt zum rein taktischen Lob.
- Es soll Kritik kaschieren: Nach dem Motto, dass man immer erst etwas Positives sagen soll, bevor man kritisiert. All das wollen Mitarbeiter nicht. Was aber steckt dann hinter dem Wunsch nach „mehr gelobt werden“?
Was Menschen brauchen
Es ist nicht Lob, sondern Anerkennung und Wertschätzung, was die Menschen suchen und so oft vermissen. Auf den ersten Blick sind Lob und Wertschätzung ähnlich, doch sie verfolgen andere Ziele und verwenden eine unterschiedliche Sprache.
Anders als reines Loben bedeutet das Ausdrücken von Wertschätzung, mein Gegenüber wahrzunehmen. Beim Loben beschreiben wir das Verhalten des anderen und bewerten es als gut. Drücken wir dagegen Wertschätzung aus, so äußern wir, was in uns selbst vorgeht und warum wir dem anderen danken möchten. Wir drücken aus, was wir Wert schätzen.
Wertschätzung zu formulieren verfolgt nicht das Ziel, den anderen zu manipulieren oder seine Leistung zu steigern. Es ist Ausdruck der Freude, über die Arbeit des anderen oder die erreichten Ziele.
Diese Art der Zuwendung können Sie auch gut den Kollegen in Ihrem Team entgegen bringen, die nicht ihre volle Leistung zeigen. Henryk Lüderitz beschreibt es in diesem Artikel (auch wenn er von Lob spricht).
Wie können Sie Wertschätzung vermitteln?
Wertschätzung kann man nicht pauschalieren, wie das Lob. Einfach nur „das haben Sie gut gemacht“ hilft niemandem und ist kein echter Ausdruck von Wertschätzung. Sie wollen (konkret sagen, was Ihnen gefallen oder gutgetan hat. Am besten gelingt der Ausdruck von Wertschätzung mit einer Abwandlung der vier Schritte wertschätzender Kommunikation:
1. Schritt: Auf was genau beziehen Sie sich?
Schildern Sie ganz konkret, was Ihnen gefallen hat oder was Ihnen gutgetan hat. Was genau hat Ihr Gegenüber getan oder gesagt? Worauf genau bezieht sich Ihr Ausdruck von Anerkennung?
2. Schritt: Warum ist Ihnen das wichtig?
Was bedeutet es für Sie? Schildern Sie kurz, warum Ihnen das so wichtig ist, also welches Bedürfnis es bei Ihnen erfüllt.
3. Schritt: Was hat es bei Ihnen ausgelöst?
Drücken Sie aus, wie es Ihnen jetzt geht. Sind Sie zufrieden? Glücklich? Entspannt? Erleichtert?
4. Schritt: Danke sagen!
Sagen Sie jetzt einfach Danke oder teilen Sie mit, was Sie sich für Ihren Mitarbeiter oder Team als Ausdruck der Anerkennung überlegt haben.
Wenn wir so Wertschätzung vermitteln, geben wir unserem Gegenüber Hinweise, was uns guttut. Dabei machen wir ihn nicht abhängig von dieser Rückmeldung und er behält die Freiheit zu entscheiden, was er künftig tun will und was nicht.
Wie also kann ein Lob in Wertschätzung übersetzt werden?
Statt zu loben:
„Sie haben die Belegung der Station in diesem Monat wieder sehr gut in den Griff gekriegt.“
Können wir unsere Anerkennung so zum Ausdruck bringen:
„In diesem Monat lag die Belegung der Station wieder im Plan (1). Mir ist es sehr wichtig, dass wir die Belegungszahlen einhalten, damit wir alle Stellen der Station besetzen können (2). Ich bin so froh und glücklich (3), dass wir das in diesen Monat wieder geschafft haben und dafür möchte ich mich bei ihnen allen ganz herzlich bedanken! (4)!“
Aktiv werden und handeln:
Statt zu loben („Gut gemacht“), überlegen Sie vorab, wie Sie stattdessen Wertschätzung ausdrücken können. Orientieren Sie sich an den vier Schritten.
Tipp:
Den Unterschied können Sie leicht daran erkennen, ob Sie vor allem über Ihr Gegenüber (eher klassisches Lob) oder über sich selbst sprechen (eher Wertschätzung).
Wenn Sie Wertschätzung geben, bleiben Sie bei sich und drücken aus, was das Engagement des anderen für Sie selbst bedeutet.
Für mich ist wichtig, dass Anerkennung auszudrücken auch von Angestellten zu Vorgesetzten geschehen sollte. Nur so wird Begegnung auf Augenhöhe und gegenseitige Wertschätzung möglich. So zumindest meine Erfahrung.
Vielen Dank für den interessanten Beitrag, dem ich von Herzen zustimmen kann. Zur Ergänzung des Themas Dankbarkeit, Wertschätzung und Loben erlaube ich mir, hier noch auf diesen Artikel zu verweisen: https://linke-wange.de/dankbarkeit-als-wertschaetzung/.
Liebe Grüße, Peter
Vielen Dank für Ihre klare Darstellung! Lob und Wertschätzung werden immer wieder missverstanden. Besonders gut gefällt mir Punkt 2) „Warum ist es Ihnen wichtig“. So stelle ich eine persönliche Verbindung zur Person her. Wir sind soziale Wesen und wollen in der Gemeinschaft etwas zusammen erschaffen. Das bei seinen Mitarbeitern anzusprechen, ist die Herausforderung einer Führungskraft!
Darf ich was kleines ergänzen: Wertschätzung kommt am wirkungsvollsten in Worten auf der Seins-Ebene an. Das macht die Sache kürzer (und man kann Ihre Punkte sehr gut ergänzen:
‚Sie sind wirklich ein Belegungsplan-Künstler! …‘
Hallo Herr Neubach,
vielen Dank für Ihren Beitrag und das Beispiel. Das mit der Seins-Ebene ist klasse, da werde ich künftig mehr darauf achten, danke!
Herzliche Grüße
Christopher Dedner
Der Titel hat mich zunächst frappiert – wie kontraintuitiv, dachte ich! Aber ich stimme dem Inhalt völlig zu.
Für mein eigenes Leben habe ich entdeckt, dass es für andere und auch mich selbst sehr wertvoll ist, Dankbarkeit auszudrücken. Dankbarkeit kann als exaktes Synonym für die hier definierte „Wertschätzung“ verstanden werden. Ich habe einige strikte regeln entwickelt:
1. Es muss absolut authentisch sein. Das heißt, ich muss wirklich Dankbarkeit fühlen (!) und nicht nur auf kognitiver Ebene erkennen, dass ich dankbar sein sollte.
2. Im Optimalfall drücke ich meine Dankbarkeit genau in dem Moment aus, in dem ich sie empfinde.
3. Ich bin nur für Verhalten dankbar, nicht für innere Zustände meines Gegenübers. „Action is character“, wie F. Scott Fitzgerald so treffend sagte. Ich habe erkannt, dass nur Handlung zählt, also was jemand TUT, nicht was oder wie jemand IST. Ich würde niemals Dankbarkeit exprimieren, weil jemand z.B. freundlich oder hilfsbereit ist, sondern die genauen Handlungen benennen.
4. Ich zeige Dankbarkeit, indem ich Verben benutze. Ich substantiviere niemals das Verhalten meines Gegenübers, wenn ich Dankbarkeit kommuniziere. „Danke für deine Gastfreundschaft“ komprimiert beispielsweise so viel Bedeutung in das Substantiv „Gastfreundschaft“, dass der Satz nahezu keinen Informationsgehalt hat. Eine bessere Wirkung erziele ich, wenn ich tatsächlich die Verben bennen, also was genau jemand getan hat.
Durch aktive Fokusierung auf Dankbarkeit lerne ich dabei auch für mich selber etwas sehr wichtiges: Achtsamkeit (die ja hier auch kürzlich thematisiert wurde) für das Verhalten meiner Mitmenschen. Nur wenn ich aktiv wahrnehme, wenn mir jemand gutes tut, kann ich Dankbarkeit auch wirklich empfinden statt sie nur zu denken.
Langfristig schult das meine eigene Psyche auf drei Weisen, die bei weitem nicht nur für Führungskräfte wichtig sind: Erstens mit einer Ausrichtung auf sensible Wahrnehmung, wie ein Mensch sich verhält, zweitens mit einer Ausrichtung auf die Analyse, was mir an meinen Mitmenschen wichtig und bedeutsam ist, drittens mit einer Ausrichtung auf positive Emotionen – was auf Dauer einfach glücklicher macht. Der Effekt ist der Psychiatrie/Psychotherapie wohlbekannt: Eine PubMed-Suche für „gratitude“ findet zahlreiche Primär- und Sekundärquellen für den langanhaltend (!) positiven Effekt der Dankbarkeit auf psychische und körperliche Gesundheit. Viele Therapieschulen arbeiten heute mit täglichen Dankbarkeitslisten, Dankbarkeitsbriefen und ähnlichem.
Ultimativ, so habe ich rausgefunden, kommen wohldosierte, authentische Dankbarkeitsbekundungen bei meinen Mitmenschen sehr positiv an, egal ob sie hierarchisch über oder unter mir stehen. Wenn sich der Author an unsere allererste Kommunikation erinnert… 🙂
Hallo Harald,
danke für den Beitrag. Ja, ich erinnere mich an unsere Kommunikation und den Beitrag, den ein wertschätzender Umgang in jeder Gesprächssituation haben kann!
Herzliche Grüße
Christopher Dedner