Munteres Rätselraten: Was brauche ich eigentlich?

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Heute strahlte im tiefsten Winter die Sonne und gemeinsam mit einer befreundeten Familie freuten wir uns auf einen Ausflug. Wir fuhren zu einem zugefrorenen See, um Schlittschuh zu laufen. Als alle müde waren, setzten wir uns auf eine Bank am Rande des Sees. Wir zogen unsere Schuhe aus und unterhielten uns angeregt.

Umgebung immer im Blick?

Plötzlich kam ein Mann auf uns zu, stellte sich direkt vor uns und fragte den Vater der Kinder von oben herab:
„Möchten Sie eigentlich den Kindern etwas über Werte vermitteln?“
Die Frage traf uns irgendwie unvorbereitet. Ich hatte keine Ahnung, was er wollte. Natürlich ist es unser Bestreben, Kindern „Werte“ zu vermitteln, also bejahten wir die Frage.
„Na wenn das so ist, dann hätten Sie meiner Frau und mir ja wohl etwas Platz auf der Bank anbieten können! Jetzt mussten wir uns in den Schnee setzen, um unsere Schlittschuhe auszuziehen!“. 
Noch bevor ich Luft holen konnte, war er schon wieder weg. Die Frage nach den Werten war wohl eher rhetorischer Natur. Sein Auftakt zum Wut ablassen.
Wir alle waren so ins Gespräch versunken gewesen, wir hatten die beiden nicht bemerkt. Das war wirklich nicht sehr achtsam von uns. Es wäre höflich und rücksichtsvoll gewesen, zusammen zu rücken und ihnen Platz anzubieten. 
Kurz war ich ganz betroffen und ganz traurig. Aber die Kinder brachten uns schnell auf andere Gedanken. Sie schauten dem Mann überrascht nach und ihre spontane Reaktion hat mich richtig gefreut. Offenbar war es doch gelungent, ihnen Werte zu vermitteln! Sie fragten:
„Aber wenn sie gemerkt haben, dass wir nichts tun, warum haben sie uns denn nicht gefragt, ob wir etwas rücken können?“
Kinder, ihr seid klasse!

Warum fragen wir nicht nach dem, was wir brauchen?

Oft scheint es nicht so einfach, klare, konkrete und erfüllbare Bitten zu formulieren. Auch aus dem Klinikalltag kennen wir solche Situationen: 
  • „Der Kollege hätte doch merken können, dass es mir nicht gut geht. Er hätte mir doch anbieten müssen, mir den Dienst abzunehmen“.
  • „Ich hatte in der Besprechung keine Gelegenheit, meine Meinung zu sagen. Warum hat der Moderator nicht dafür gesorgt, dass jeder drankommt?
  • „Jetzt wurde ich bei der Besetzung der Oberarztstelle wieder nicht berücksichtigt. Ich hab mich zwar nicht beworben, aber die hätten mich ja auch fragen können, ob ich die Stelle will“. 
Statt Bitten zu äußern, überlassen wir es unserem Gegenüber, zu erraten, was wir brauchen. 

Was passiert, wenn wir nicht um das bitten, was wir wollen?

Wir machen uns abhängig davon, dass unsere Umgebung es wahrnimmt und reagiert. Oft haben wir Glück und unsere Bedürfnisse werden erfüllt.
Wenn wir aber Pech haben und unser Gegenüber unsere Anspielungen nicht versteht, dann schafft es bei uns Frust und Unzufriedenheit.
Ike K. Lasater beschreibt mehrere Gründe, warum Menschen keine klaren Bitten äußern:

Wir hören auf unsere Selbstgespräche 

Wir malen uns schon im Vorfeld aus, was passieren wird. Wir sagen uns, unser Gegenüber wird sowieso ablehnen. Bevor ich unser gutes kollegiales Verhältnis riskiere, frage ich lieber garnicht erst. 

Wir äußern die Bitte nur vage

Wir erzählen unserem Gegenüber beiläufig, wovon wir so träumen oder was wir gerne tun würden. Wir gehen davon aus, dass der andere es als Bitte versteht und umsetzt. Wir ergehen uns in Andeutungen, äußern aber nie die konkrete Bitte. Wenn er wirklich ein guter Kollege ist, wird er meine Andeutungen schon verstehen! Und wenn nicht, ist er schuld und nicht ich. 

Wir bitten um Dinge, die nicht erfüllbar sind

Oft werden Bitten geäußert, die nicht erfüllbar sind. Es fehlen konkrete Informationen oder es sind allgemeine Phrasen:
  • „Ich möchte, dass Sie solche Patientenbeschwerden nicht so persönlich nehmen“. Und wie soll ich das machen?
  • „Ich möchte, dass Sie häufiger Rat bei Ihrem Oberarzt einholen“. Öfter?  Stündlich? Wöchentlich? Jährlich?
  • „Ich möchte, dass Sie mit den Anliegen der Kollegen künftig umsichtiger umgehen“. Aha. 

Wir formulieren Bitten, obwohl wir Forderungen stellen

Das passiert vor allem Führungskräften. Wir formulieren unsere Forderungen als Bitten. Dann sind wir enttäuscht, wenn der Bitte nicht entsprochen wird. 

Wir sagen, was wir nicht wollen

Statt zu sagen, was wir wollen, äußern wir, was wir nicht wollen. Wir überlassen es unserem Gegenüber zu erraten, was wir eigentlich wollen. 

Wir wissen selber nicht genau, was wir eigentlich wollen

Wenn wir klare Bitten äußern, müssen wir uns vorher Klarheit darüber verschaffen, was wir wollen. Und dafür müssen wir dann auch Verantwortung übernehmen. Solange wir uns darüber nicht völlig im Klaren sind, werden unsere Bitten immer vage bleiben.

Die Zutaten einer klar formulierten Bitte

Bevor man eine klare Bitte formulieren kann, muss man sich selbst Klarheit darüber verschaffen, was man will. Das klingt banal, aber oft formulieren wir Bitten vage, weil wir diesen Klärungsprozess nicht vollzogen haben.
Dazu müssen wir für uns Klarheit darüber verschaffen, was wir eigentlich wollen und was wir brauchen. Je klarer wir das wissen, desto präziser wird unsere Bitte. Wir brauchen weniger Worte, um die Frage zu formulieren. Je weniger Worte wir brauchen und je klarer die Bitte ist, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gegenüber sie rasch erfassen kann und bereit ist, sie zu erfüllen.
Das kenne ich aus eigener Erfahrung: Wenn mich jemand um etwas bittet und das erst lange beschreiben muss und vage bleibt, bin ich mehr damit beschäftigt die Bitte zu verstehen und habe keine Gelegenheit zu reflektieren, ob ich der Bitte entsprechen möchte. 

Einladung zum Ausprobieren

Wenn Sie etwas wollen, warten Sie nicht darauf, dass andere es merken.
Formulieren Sie die Bitte klar und deutlich.
Äußern Sie nur eine Bitte, wenn Sie auch ein Nein akzeptieren. Wenn Sie ein Nein nicht zulassen wollen, ist es eine Forderung und keine Bitte.



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