3 Gründe, warum Sie aufhören sollten, alles zu verbessern

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Früher war ich ja um einen Ratschlag nie verlegen. Es freut sich doch jeder, wenn er einen Tipp kriegt und ein Projekt besser wird. Oder?
Führungskräfte werden ständig nach ihrer Meinung gefragt. Und wenn wir etwas gefragt werden, dann haben wir auch eine Antwort:

  •  „Was halten Sie von dem Entwurf?“ –
    „Er ist gut, aber ergänzen Sie doch hier noch…“
  • „Haben Sie sich das Konzept so vorgestellt?“ –
    „Ja, im Prinzip schon. Aber machen Sie doch hier noch eine Anmerkung …“
  • „Möchten Sie an dem Brief noch etwas verändern?“ –
    „Ja, im dritten Absatz könnten Sie noch hinzufügen dass…“

Ich gebe immer gerne meinen Senf dazu. In Sitzungen habe ich auch was zu sagen. Wie käme es an, wenn ich einfach nur zustimme!? Die Verbesserungen sind doch gut gemeint, sie bereichern die Arbeit der Kollegen, unterstützen sie!
Oft sind es ja nur Ratschläge, die ich mache. Es sind Ideen, die mir beim Durchlesen oder Zuhören einfallen. Beim zweiten Nachdenken sind sie auch nicht ganz so gut. Aber fast immer greifen meine Kollegen die Vorschläge auf. Na dann müssen sie doch gut sein, oder?

So dachte ich zumindest, bis mich ein Buch von Marschall Goldsmith ins Grübeln brachte. Goldsmith beschreibt die Auswirkungen, die es hat, wenn Führungskräfte einen fatalen Fehler begehen: Sie versuchen ständig alles zu optimieren („adding too much value“). Goldsmith weist auf drei Probleme hin, die es zu bedenken gibt, wenn

  1. unsere Vorschläge keine Vorschläge sind
  2. unsere Motive fragwürdig erscheinen
  3. wir für mehr Schaden als Nutzen sorgen

1. Wenn unsere Vorschläge keine Vorschläge sind

Je höher wir auf der Führungskräfte-Leiter steigen, desto mehr müssen wir uns einer Tatsache bewusst machen: Unsere Vorschläge werden nicht als solche verstanden, sondern als Anordnungen. Der Chef möchte es so, also machen wir es eben so. Dagegen können wir wenig tun. Selbst wenn wir beteuern, es sei nur ein Vorschlag. Dann werden wir vielleicht als netter Chef wahrgenommen, der gerade ein mehrtägiges Führungskräfte-Seminar besucht hat und sich richtig Mühe gibt, alles umzusetzen. Aber das ändert nichts daran: Befehl ist Befehl.

2. Wenn unsere Motive fragwürdig erscheinen

Folgt man Goldsmith, dann geht es uns nicht immer um die Sache. Es geht ums Gewinnen. Wir sind die Chefs, also müssen wir auch etwas beisteuern. Oft wollen wir einfach zeigen, dass wir auch Sachverstand haben, wir wollen gewinnen. Aber tun wir nicht gut daran, Kollegen zu haben, die in Teilbereichen fachlich besser sind als wir? Dann müssen wir auch wohl dies so akzeptieren und sie die Arbeit machen lassen, die nicht von uns optimiert werden muss.

3. Wenn wir für mehr Schaden als Nutzen sorgen

Um etwas zu realiseren sind zwei Dinge wesentlich:

  1. Die Qualität der Idee und
  2. Das Maß an Engagement und Begeisterung des Mitarbeiters dafür, das Projekt auch wirklich umzusetzen.

Als Führungskräfte tun wir gut daran, beide Punkte im Blick zu haben, wenn wir Kollegen dafür gewinnen wollen, mit ganzer Energie und mit vollem Engagement bei der Sache zu sein.

Durch unsere Vorschläge können wir Projekte bestimmt um ca. 5% verbessern! Aber oft übersehen wir, was dabei mit der Motivation des Mitarbeiters passiert. War es bis vor kurzem noch „sein“ Projekt, sein „Baby“ worauf er stolz war, so ist es das jetzt nicht mehr. Durch unseren Beitrag der Verbesserung ist es jetzt unser Projekt, nicht mehr sein eigenes. Wir haben mit dem Vorschlag die Qualität um 5% gesteigert. Gleichzeitig haben wir das Engagement des Mitarbeiters um 50% gesenkt.

Da drängt sich die Frage auf:

Ist es das wert?

Wenn durch unsere Ergänzungen ein schwerer Fehler vermieden wird natürlich ja!
In allen anderen Fällen: eher nicht! Ich habe mir angewöhnt, auch hier das Pareto-Prinzip anzuwenden: Ist der Entwurf, Beitrag oder Vorschlag des Mitarbeiters zu 80% gut, dann halte ich einfach meine Klappe. Ich behalte die Ideen für mich und gebe Wertschätzung für die geleistete Arbeit.

Wenn mir das schwerfällt, hilft mir die Erkenntnis, dass ich mit meinen Vorschlägen mehr schade als nutze.

Aktiv werden und handeln:

Wenn Sie das nächste Mal den Impuls verspüren Rat zu geben oder Ergänzungen zu machen, halten Sie kurz inne.

  • Atmen Sie tief durch und überlegen Sie:
  • Um wie viel steigt die Qualität dieses Projektes, wenn ich jetzt noch Verbesserungen vornehme?
  • Wie sehr leiden Motivation und Engagement des Kollegen, wenn ich Rat erteile und es dann nicht mehr „sein“ Projekt ist?
  • Ist es das wert?

Nein? Denn geben Sie stattdessen Wertschätzung und Anerkennung (statt zu loben) und gönnen Sie dem Kollegen den alleinigen Erfolg für das Gelingen.



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  • Vielen Dank für den inspirierenden Beitrag! Zum Teil stimme ich zu, allerdings kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass es Mitarbeitern (und damit sind explizit auch mittlere Führungskräfte gemeint) Sicherheit geben kann, wenn ihr Chef mit draufschaut und noch Ideen einbringt. Das muss ja nicht zwingend demotivieren.

    Ich denke, das kommt auf den Mitarbeitertyp an und vor allem auch darauf, wie man es rüberbringt. Ob es „Tipp“ des Chefs ist, der eigentlich fast schon ein Befehl ist oder eher ein Gedankenaustausch, der von eigenen Erfahrungen berichtet (Chef: „Gute Idee. Ich habe in der Vergangenheit übrigens erlebt dass…(Tipp)“ und der vor allem Argumente enthält, warum bestimmte Ideen gut/besser sein können. Dann können nämlich aus dem Austausch auf Basis der neuen Argumente/Erfahrungen vielleicht Kombi-Ideen wachsen, die viel länger gebraucht hätten, als wenn man sich als Chef zurückhält. Ich versuche in meinem Team übrigens ein generelles Klima des Gedankenaustausches zu Ideen herzustellen und frage auch selbst bei eigenen Problemstellungen nach der Meinung des Teams, so dass man von dem bilateralen „Der Chef hat immer die besseren Ideen“ weg kommt. Mir ist es wichtig, dass sich auch das Team verantworltich fühlt und es gerade nicht zu viel „sein Projekt“ nur eines Mitarbeiters ist.

    Und noch ein Gedanke zum bewussten Zurückhalten: Hält sich die Führungskraft bewusst zurück, bringt sie den Mitarbeiter um die Möglichkeit, von bereits gemachten Erfahrungen zu profitieren und nicht in die gleichen Fallen zu tappen. Mir ist bewusst, dass man über „Trial und Error“ am nachhaltigsten lernt, aber mit einem entsprechenden Hinweis darauf macht der Mitarbeiter die Erfahrung vielleicht bewusster – wenn er denn will.

    • Hallo Frau Vogt,
      das stimme ich auch völlig zu! Es kommt tatsächlich darauf an, welches Klima in einer Abteilung herrscht. Wenn Kollegen es gewöhnt sind, dass sie nicht nur Ratschläge bekommen, sondern dass auch ihre Vorschläge willkommen sind und ernst genommen werden, dann kann man an gegenseitigen Tipps wachsen. Ich habe für mich das Modell der Soziokratie entdeckt. In der man eine Runde macht, in der wirklich jeder im Team aufgefordert ist, seine Meinung zu sagen und diese auch erstmal unkommentiert bleibt. Sonst reden nämlich immer die gleichen im Team und man hat keine Ahnung, was die anderen eigentlich denken.
      Aber sonst habe ich sehr davon profitiert, vor den Ratschlägen zu überlegen, ob es das Projekt wirklich sehr bereichert, oder ob es ihm nur meinen Anstrich gibt. Dann spare ich mir die Ratschläge auch mal.
      Herzliche Grüße
      Christopher Dedner

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